Wie buchstabiert man den Glauben?
Über den Versuch und die Versuchungen, einfach Christ zu sein.
Befiehl du deine Wege
Erkundest du gerne unbekanntes Gebiet? Liebst du das Abenteuer? Reizt dich der Weg ins Ungewisse? Abrahams Berufung war jedenfalls das reinste Abenteuer. Gott sagte zu ihm:
«Geh fort aus deinem Land, verlass deine Heimat und deine Verwandtschaft und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde!»
1 Mose 12,1 (HfA)
Diese Berufung hatte es in sich. Das hebräische lech lecha umfasst nämlich weitaus mehr als nur ein Weggehen. Es bedeutet «geh für dich» oder «isoliere dich». Abraham musste seine Heimat verlassen und in ein fremdes, unbekanntes Gebiet aufbrechen, von dem er noch nicht einmal wusste, wo es geografisch zu finden war.
Bei Abraham zeigt sich, dass Gott mit uns Menschen Geschichte schreiben möchte. Und zwar gemeinsam! Er gibt und bestimmt dabei nicht einfach den Takt und die Richtung vor, sondern ist mit uns zusammen unterwegs. Schritt für Schritt. Tag für Tag. Mehr noch: Gott präsentiert Abraham gar keine genaue oder vollständige Reisebeschreibung (warum wohl nicht?!), sondern lediglich diese einfache Zusage, dass er auch noch am Ende der Reise da sein wird.
Abraham sollte losgehen. Er wurde als einzelner Mensch bewusst von Gott angesprochen und konkret einbezogen («geh für dich»).Was an Unbekanntem und Unabwägbarem vor Abraham auch gelegen haben mochte – Gott war bei ihm. Gemeinsam begaben sie sich auf diesen unbekannten Weg. Und Gott blieb bei Abraham bis ans Ende seiner Reise. Dieses ganze Abenteuer war also ein echtes Teamwork von Gott und Abraham und nicht etwa die One-Man-Show einer allmächtigen Instanz, die überlegen im Hintergrund aus einer absoluten Metaperspektive die Fäden zieht.
Doch Abraham war niemals auf sich allein gestellt in eine noch unbekannte Zukunft – Gott war sein ständiger Begleiter! Vielleicht ist genau das das eigentliche Geheimnis der gemeinsamen Reise von Gott und uns Menschen: Gott gibt den Weg nicht vor, dafür aber immer wieder Wegweisung, wenn wir ihn darum bitten.
Du bist ein Mensch, mit dem Gott liebend gerne unterwegs sein möchte. Wohin deine Reise gehen wird, ist nicht bekannt. Wer mit dir gehen wird, hingegen schon: Gott selbst. Und mit ihm wirst du dein noch unbekanntes Ziel erreichen («in das Land, das ich dir zeigen werde»). Übrigens: Für ein solches Teamwork hat Gott keine willenlosen Marionetten erschaffen, sondern Menschen, die mutig losgehen, eigene Entscheidungen treffen, große Schritte wagen und einfach darauf vertrauen, dass Gott mit ihnen sein wird. Alle Tage. Bis ans Ende, zum Ziel.
Wer bist du?
«Ich bin Christ!» Wann hast du zuletzt diesen Satz gebraucht?
Kannst du dich daran erinnern? Meistens bleibt es ja nicht bei drei Worten. Es muss konkreter werden. Noch greifbarer. Du bist nicht einfach «nur» ein Christ. Du bist evangelikal, konservativ, evangelisch etc. Andere können dich schnell dazu verleiten, dass du dich dahingehend «klar» positionierst: «Bist du ein richtiger (oder wirklicher) Christ?»
«Ich bin Christ!» ist eine Ich-Botschaft. Es geht um dein Sein, deine ganze Existenz. Und diese machst du an Jesus Christus fest. Damit ist alles gesagt. Paulus schreibt darüber in 2. Korinther 5,17 (ELB):
«Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.»
Du musst dich anderen gegenüber nicht erklären, wenn es um deine neue Existenz geht, die du in und durch Jesus Christus hast. Und all diese Zuschreibungen sagen viel und doch nichts. Denn: Es kommt nicht darauf an, in welchem Becken du dich gerade aufhältst. Entscheidend ist, wer der Rettungsschwimmer ist, der am Beckenrand steht und auf dich aufpasst. Damit überhöhst du keine christliche Gruppierung. Aber du richtest den Blick in die Höhe und ehrst den Retter Jesus Christus.
Wenn du sagst, dass du Christ bist, betonst du das Wort «Christ», also Christus selbst. Wenn du etwas hinzufügst, zum Beispiel «evangelikal», liegt deine Betonung nicht mehr auf Christus, sondern eben auf dieser Zuschreibung. Diese rückt dann in den Fokus. Und damit automatisch irgendeine christliche Gemeinschaft, Gruppe oder Kirche. Nur: Ist das überhaupt nötig?
Worum geht es bei deiner Existenz, der neuen Schöpfung, dem Neuen, das geworden ist? Ob du zu Christus gehörst oder welcher Gruppierung du angehörst?
Was deinen Glauben wirklich stark macht
Wir Christinnen und Christen sind Weltmeister im Ermahnen. Unsere eigentliche Aufgabe wäre eine ganz andere. Nämlich einander zu ermutigen.
Darauf weist Paulus in Römer 1,12 (NLB) hin:
«Ich möchte euch ermutigen, aber auch selbst durch euren Glauben ermutigt werden. Auf diese Weise werden wir uns gegenseitig im Glauben stärken»
Von daher: Fange an, andere zu ermutigen, wenn du dich nach einem starken Glauben sehnst! Was du an Ermutigung säst, wirst du auch ernten. Davon profitieren letztlich alle. Der Glaube wird gegenseitig gestärkt. Paulus stellt dieses Prinzip gleich an den Anfang seines Briefes an die Römer. Einem Brief, der gerne und oft von der Ermahnerfraktion herangezogen wird. Übrigens: Das griechische Verb, das im Neuen Testament sowohl für das Ermahnen wie auch das Ermutigen gebraucht wird, ist parakaleo. Nur reiner Zufall?!
Nun, man kann bekanntlich von zwei Seiten vom Pferd fallen. Auch beim Übersetzen oder Auslegen. Es geht sicher nicht darum, dass du die Ermahnung einfach aus deinem Wortschatz verbannst. Das wäre zum Beispiel bei Menschen, die Spendengelder veruntreuen, keine gute Idee. Dazu solltest du auf keinen Fall ermutigen. Interessant ist im Blick auf parakaleo, dass das Ermutigen und Ermahnen wohl viel näher zusammenliegen und -gehören, als wir meinen.
Du kannst eine Person ermutigend ermahnen, wenn es erforderlich ist. Das geht tatsächlich. Wenn du nämlich ermutigst und stärkst und auch selbst von anderen Menschen ermutigt und gestärkt wirst, dann ist eine (er-)tragfähige Basis gelegt für die mögliche oder eben nötige Ermahnung. Deine Herzenshaltung und dein Tonfall werden dann stimmen. Und auch deine Bereitschaft, etwas Ermahnendes anzuhören, anzunehmen und anzuwenden.
Du solltest es hingegen unterlassen, andere ermahnend zu ermutigen. Das funktioniert überhaupt nicht. Und es ist auch nicht der Weg, den Paulus in diesem Vers beschrieben hat. So wird der Glaube nicht gestärkt. Die Sache wird entmutigend und schwächend. Warum dringen so viele «Ermahner vom Dienst» nicht zu den Menschen durch? Ich vermute, weil sie selbst keine Ermutigung und Stärkung durch andere erfahren haben. Die Folge davon ist, dass sie Stärke demonstrieren wollen und ihren eigenen Mangel an Ermutigung durch die Genugtuung zu kompensieren versuchen, besserwisserisch andere bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu kritisieren. Sich von solcher Lieblosigkeit nur liebend gerne abwenden zu wollen, ist nicht verwunderlich.
Wenn du Paulus' Prinzip der Ermutigung anwendest, wird sich etwas Grundlegendes verändern: Du wirst sogar dankbar sein für die (ermutigenden) Ermahnungen von anderen Menschen. Weil auch sie deinen Glauben stärken. Das finde ich wiederum sehr ermutigend. Und du?
«Im Glauben für den Zweifel ist besser als fromme Scheinheiligkeit.»